Hesse und die Frauen
Der Konflikt mit der Mutter und die Wiederhinwendung zu ihr, bis zur Zeit
der Entstehung von "Narziß und Goldmund"
von
Tomoko Yamakawa
(Japan)
Das Frauenbild in Hesses Werken,
besonders in seinem Roman "Narziß und Goldmund", wird aus dem Aspekt des
Konflikts mit seiner Mutter und der Wiederhinwendung zu ihr behandelt.
In der bisherigen Hesse-Forschung
wurde "der Konflikt mit seiner Mutter" aus den folgenden vier Gründen unbeachtet
gelassen.
-
Es wurde als zu wichtig erachtet,
daß Hesse eine sehr starke Liebe zu seiner Mutter hatte, als er ein kleines
Kind war.
-
In seiner halb-autobiographischen
Novelle "Schön ist die Jugend" tritt eine sanftmütige Mutter auf. Viele
glauben, daß seine eigene Mutter das Modell hierfür ist.
-
Als seine Mutter gestorben war,
erschien er nicht auf der Beerdigung. Viele schenkten seiner eigenen Begründung
dafür Glauben.
-
In den Briefen Hesses an seine
Schwestern hat er manchmal seine Unzufriedenheit mit seiner Mutter geäußert.
Er schrieb einige kritische Dinge zum Thema, was oft nicht genügend beachtet
wurde.
In dieser Arbeit werden die oben
erwähnten vier Gründe genau geprüft. Außerdem werden die Kindheit seiner
Mutter, ihre unglückliche Liebe und der Einfluß dieses Erlebnisses auf
ihren Charakter reiflich behandelt. In der Folge wird dann der Einfluß
des Charakters seiner Mutter auf ihren Sohn Hermann erörtert.
Hesses Werke, besonders "Narziß
und Goldmund", lassen sich bekanntlich von dem Standpunkt aus behandeln,
daß der Lebenslauf Hesses, sein Charakter und seine Zeit Einfluß auf sein
Werk ausgeübt haben. Daher ist auch die Einbeziehung seiner Briefe unumgänglich.
Hesses physischer und psychischer
Zustand war zeitweilig derart geschwächt, daß er seine schriftstellerische
Arbeit unterbrechen mußte. Er unterzog sich einer psychoanalytischen Behandlung.
Die vorliegende Untersuchung berücksichtigt auch diesen wichtigen Lebensabschnitt.
Mit einer speziellen Betrachtung
über das Verhältnis zwischen Hesse und den Frauen werden seine Werke, besonders
"Narziß und Goldmund", behandelt.
Im allgemeinen ist festzustellen,
daß die Rolle der Liebe eines Mannes zu seiner Mutter von Freud oder Jung
offen diskutiert wurde. Hesse fühlte in seiner Kindheit eine sehr starke
Liebe zu seiner Mutter. In der Pubertät erlebte er "den Konflikt mit seiner
Mutter", im Mannesalter "die Wiederhinwendung zu ihr". Seine Werke, besonders
"Narziß und Goldmund", stehen unter dem Einfluß dieses sich wandelnden
Mutterbildes.
1.
Die Mutter
Marie Hesse, die Mutter des
Dichters Hermann Hesse, war die Tochter des schwäbischen Missionars und
Orientalisten Dr.Hermann Gundert. Sie wurde in Indien geboren. Als Marie
drei Jahre alt war, verließ die Familie wegen einer Erkrankung des Vaters
Indien und kehrte nach Deutschland zurück. Erst ein Jahr später nahmen
ihre Eltern ihre Arbeit in Indien wieder auf. Sie ließen Marie jedoch bei
einer Pflegefamilie zurück. Bis zu ihrem fünfzehnten Lebensjahr sah sie
ihre Eltem nicht mehr. Sie fühlte sich sehr verloren.
Als Marie 15 Jahre alt war,
fuhr sie zu Schiff nach Indien. Auf dem Weg nach Indien verliebte sie sich
in einen jungen Engländer. Ihr Vater verbat ihr, den Mann zu heiraten.
Diese unglückliche Liebe hat sie sehr verletzt. Danach suchte sie Trost
im christlichen Glauben. Sie war eine strenge Frau geworden.
Sie war auch selbständig,
aber sie konnte sich nicht ihrem Vater widersetzen. Sie mußte auf ihres
Vaters Verlangen hin einen anderen Mann heiraten und durfte nicht ihren
eigenen Weg finden. Gott sollte sie führen.
Marie war hochbegabt und hatte
einen Sinn für Kunst. Aber durch ihre unglückliche Liebe und die aufgezwungene
Heirat wurde sie herb und hatte für Sinnlichkeit kein Verständnis. Nach
fünf Jahren starb ihr Mann. In zweiter Ehe wurde Hermann Hesse geboren.
Marie selbst brachte ihren
Sohn Hermann zu Pflegeeltern, weil der Dreizehnjährige ihr zu schwierig
geworden war. Sie hatte keine Kraft mehr, ihn zu erziehen. Marie beging
somit einen ähnlichen Fehler an ihrem Sohn wie ihre Eltern seinerzeit an
ihr.
Als Hesse aus dem Kloster
Maulbronn entflohen war, verstand sie seine Leiden nicht und wollte ihn
zwingen, an Gott zu glauben. Unter diesen Umständen hat Hesse einige zusammenhanglose,
trotzige Briefe an die Eltern geschrieben.
Der Vater
Hesse achtete seines Vaters
Intellekt, aber gleichzeitig hatte er auch immer ein komplexes Gefühl für
ihn. Sogar in seiner Kindheit wurde er mit seinem Vater nicht vertraut.
Jedoch war der Vater im Naturell seinem Sohn sehr ähnlich. Er besaß wie
dieser ein Nervenleiden, hohe Empfindlichkeit und Anfälligkeiten.
Die Schwestern
Hesse stand im freundschaftlichem
Verhältnis mit seinen Schwestern. Nach dem Tod seiner Mutter hat er in
der Korrespondenz mit den Schwestern sein zwiespältiges Gefühl ihr gegenüber
und seine Unzufriedenheit mit ihr geäußert.
2.
Vor der ersten Heirat hatte
Hesse einige Frauen geliebt, ohne Gegenliebe zu finden. In seinen Werken
spiegeln sich diese Frauen wider.
In erster Ehe heiratete er
die neun Jahre ältere Maria Bernoulli. Hesse suchte eine Erinnerung an
die Mutter, nachdem diese gestorben war. Sie hatten drei Kinder. Seine
Frau war wohl überfordert mit Hesse. Sie wurde älter, sie hatte drei Kinder,
sie konnte sich nicht um ihn kümmern. Hesse trennte sich schließlich von
der Familie, weil die Frau in ein Sanatorium mußte. Die Kinder wurden außer
Haus in Pflege gegeben.
Dann fing er ein neues Leben
an. Er lernte eine junge Frau, Ruth Wenger, kennen. Er hat sich nochmals,
diesmal in eine ganz junge, sehr weibliche, sehr sinnliche Frau verliebt
und gedacht, das sei das eigentliche Erlebnis, wie er es noch nie erlebt
hatte, - und zwar mit einer leibhaftigen Frau, nicht mit einer Mutterfigur.
Auf Verlangen von Ruths Eltern
hin heiratete Hesse Ruth Wenger, aber sie lebten nie zusammen. Die Ehe
ist dann auch sehr schnell auf Wunsch Ruths wieder geschieden worden.
Seine dritte Frau war Ninon.
Sie hatte schon mit 14 Jahren Hesses "Peter Camenzind" gelesen und Hesse
seither als Dichter verehrt.
Sie hatte gemerkt, daß Hesse
kurz vor dem Selbstmord stand, und angefangen, ihn wie eine Mutter zu umsorgen.
Sie war nicht mehr die Nur-Mutter und nicht mehr die Nur-Geliebte oder
junge Frau, sie war auch eine geistig sehr anspruchsvolle Partnerin. Er
konnte mit ihr über Literatur sprechen.
3.
Hesses Verhältnis zur Psychologie
C.G.Jungs beginnt bei Dr. Josef Bernhard Lang, einem Schüler und späteren
Kollegen C.G.Jungs. Es gab 72 analytische Sitzungen. Der unmittelbare Anlaß
war ein Nervenzusammenbruch, hervorgerufen durch familiäre, berufliche,
und politische Schwierigkeiten (Ehekrise, Tod des Vaters, schwere Erkrankung
des Sohnes, Erster Weltkrieg).
Hesse waren schließlich Zweifel
an der Psychoanalyse gekommen, aber nach den Sitzungen konnte er sich zumindest
vorläufig von der Krise befreien. Er verstand jetzt die Beziehung zwischen
Psychoanalyse und Literatur.
Hier wird der Einfluß des
Erlebnisses der Psychoanalyse in "Demian" behandelt. Hesse war enttäuscht
von der Verständnislosigkeit des Psychoanalytikers für die Kunst. Er sagte,
die Werke von Freud und Jung zu lesen sei nützlicher als sich der psychoanalytischen
Behandlung zu unterziehen. Er erhob Einwände gegen Jung, weil dieser Freuds
"Ödipuskomplex" und dessen "Sublimierung" nicht ausreichend würdigte.
4.
In diesem Kapitel werden Hesses
Hauptwerke vor "Narziß und Goldmund": "Hermann Lauscher", "Peter Camenzind",
"Unterm Rad", "Gertrud", "Augustus", "Roßhalde", "Knulp", "Schön ist die
Jugend", "Iris", "Demian", "Klingsors letzter Sommer", "Siddhartha", "Steppenwolf"
aus der Perspektive des Konflikts mit der Mutter und der Wiederhinwendung
zu ihr besprochen. "Augustus", "Iris", "Schön ist die Jugend", "Demian",
"Siddhartha" werden dabei genauer erörtert.
"Augustus"
Einerseits erklärt uns Hesse
in diesem Märchen die Schönheit der Liebe. Andererseits aber beschreibt
er auch eine Mutterfigur, die für ihren Sohn nur das Beste will. In dem
Märchen geht dieser Wunsch in Erfüllung, doch der nach bestem Gutdünken
der Mutter ausgesprochene Wunsch schlägt in sein Gegenteil um und schadet
schließlich dem Sohn, der durch die ihm allseits entgegengebrachte Liebe
überheblich wird und dadurch schließlich vereinsamt. Hesse bringt damit
seine Erkenntnis zum Ausdruck, daß das Handeln der Mutter zwar mit bester
Absicht geschieht und dennoch dem Sohn schaden kann.
"Schön ist die Jugend"
Nach erfolgreich abgeschlossener
Buchhändlerlehre kehrt der für verloren aufgegebene Sohn nach langer Abwesenheit
als ein fast schon gemachter Mann in seine Heimat zurück, die er zuvor
"als schüchternes Sorgenkind" verlassen hatte. Der Held dieser Novelle
ist 'Hermann'. Man kann schon aus diesem Grunde sagen, daß es eine halb-autobiographische
Novelle ist. Die Mutter, die in dieser Novelle auftritt, ist eine sanftmütige
Frau. Viele glauben, daß das Modell dieser Frau Hesses Mutter ist, aber
sie wird idealisiert.
"Iris"
Nach dem Ende der Ehe wurde
dieses Märchen Maria Bernoulli gewidmet. Der Wunsch der Rückkehr zum Mutterleib
ist erwiesen. Vom psychologischen Standpunkt aus ist das besonders interessant
"Demian"
Frau Eva, Demians Mutter,
ist sowohl sanftmütig als auch streng und klug. Hinzu kommen auch weibliche
Reize. Das Gefühl des Helden für sie entspringt einem übertragenen 'Ödipuskomplex',
also nicht für seine eigene Mutter sondern für die Mutter seines Freundes.
Man kann den Einfluß von Hesses psychoanalytischer Behandlung erkennen.
Hesse hat "den Konflikt mit seiner Mutter" überwunden und hat den Weg der
Wiederhinwendung zu ihr betreten.
"Siddhartha"
Siddharta verliebt sich in
Kamala, die sehr attraktive Kurtisane. Kamala ist eine kluge Frau und lehrt
ihn die Lebenskunst und Weltklugheit. Durch die Beschreibung von Kamalas
sinnlichen Reizen hat Hesse den Konflikt mit seiner Mutter überwunden.
5.
5.1.
Goldmund und Narziß
Der Titel "Narziß und Goldmund"
nennt die Hauptfiguren des Romans.
Goldmunds sehnlichster Wunsch
ist es, auch einmal Abt zu werden, doch Narziß erkennt bald, daß es nicht
Goldmunds Bestimmung ist, ein strenger Mönch zu werden. Behutsam versucht
Narziß, Goldmund auf dessen Weg zu führen. Goldmund befindet sich also
bald auf dem "Weg zur Mutter".
Beide Helden stehen sich gleichberechtigt
gegenüber, wobei allerdings der Schwerpunkt der Darstellung auf Goldmund
liegt. Aber Narziß bleibt ebenfalls eine wichtige Figur in diesem Roman,
neben Goldmund. Zuerst analysieren wir diese zwei Figuren.
In einem Brief schrieb Hesse,
daß die Freundschaft, die zwischen Männern besteht, nicht völlig frei von
Erotik sei.
Hesse meint, daß Goldmund
für Narziß nicht nur den Freund und nicht nur die Kunst bedeutet. Goldmund
bedeutet für Narziß auch die Liebe, die Sinnenwärme, das Begehrte und Verbotene.
Offensichtlich ist sich Narziß
klar darüber, daß seine Liebe zu Goldmund eine erotische Komponente aufweist.
Aber Narziß beherrscht sich und beschränkt sich auf eine "platonische Liebe".
Hier könnten wir finden, daß
Hesse selber gegen die Homosexualität eine Abneigung hatte, während er
gegenüber der Liebe zwischen Mann und Frau große Toleranz übte.
Hesse hat die Freundschaft
zwischen Narziß und Goldmund schön beschrieben. Hesse hielt die reine Freundschaft
zwischen Männern für wichtig.
Nachdem Goldmund mit seinen
Freunden ins Dorf gegangen war, hatte er Schuldgefühle.
Narziß spricht Goldmund Trost
zu, indem er sagt: "Einer der kürzesten Wege zum Leben eines Heiligen kann
das Leben des Wüstlings sein." Diese Ÿußerung erinnert uns an "Tan-ni-syo".
"Tan-ni-syo" ist ein japanisches buddhistisches Buch,welches sehr bekannt
unter Japanern ist. Das ist die Zusammenfassung von der Lehren des berühmten
japanischen Buddhisten "Shinran". Vor ca.800 Jahren wurde das Buch von
einem seiner Schüler geschrieben.
Oberflächlich scheint Narziß
Goldmund zu leiten. Aber auch Narziß wird durch Goldmund in die Sinnenwelt
und die Kunst geführt.
5.2. Goldmund, die Frauen
und Hesse
Ein Thema des Romans ist das
Verhältnis zwischen Goldmund und Narziß. Das andere Thema des Romans ist
das Verhältnis zwischen Goldmund und den Frauen.
"Narziß und Goldmund" ist
der Roman Hesses, in dem die meisten Frauen auftreten. Die verborgene Heldin
in diesem Roman ist Goldmunds Mutter. Goldmund hört auf die Stimme seiner
Mutter in seinen Frauen, also liebt er viele Frauen.
Es ist die Zigeunerin Lise,
die ihn erstmals die Bedeutung der 'Frau' lehrt. Hesse deutet an, daß Goldmunds
Mutter auch eine Zigeunerin ist.
Auf dem Schloß eines Ritters,
der ihn einlädt, erfaßt ihn die Zuneigung zu dessen Tochter Lydia. Wegen
der Eifersucht ihrer Schwester Julie offenbart Lydia schuldbewußt ihrem
Vater Goldmunds Verhalten. Der Ritter vertreibt ihn von seinem Hof. Später
schafft Goldmund die Bilder dieser Schwestern. Vor allem das Bild von Lydia
rührt auch Narziß.
In einem Kloster wird Goldmund
von einer Statue der Mutter Gottes fasziniert. Er läßt sich bei dem Schöpfer
dieses Werkes, Meister Niklaus, ausbilden. Seine Tochter heißt Lisbeth.
Sie ist sehr schön, aber zu stolz. In der gleichen Stadt wohnt Marie, die
den gleichen Namen wie Hesses Mutter trägt. Sie ist gutherzig, aber körperbehindert.
Sie sorgt für ihn. Hesse war schon ein alternder Mann, als er "Narziß und
Goldmund" schrieb. Es ist möglich anzunehmen, daß sich in Marie das Gefühl
zu seiner eigenen Mutter spiegelt. In gewissem Sinne kann man sagen, daß
er mit diesem Werk eine "Wiederhinwendung zur Mutter" vollzogen hat.
Goldmund verläßt Meister Niklaus
und geht erneut auf Wanderschaft. Auf seinem Weg trifft er Lene, die später
an der Pest sterben wird. Er trifft auch die Jüdin Rebekka, deren Vater
grausam getötet worden ist.
Nach einigen Jahren kehrt
er zur Werkstatt des Meisters Niklaus zurück, und er begegnet wieder Lisbeth.
Sie war von der Pest genesen, aber wurde eine unansehnliche Frau. Meister
Niklaus, der Lisbeth gepflegt hatte, erkrankte an der Pest und starb. Auch
diesmal tritt Marie auf: Sie lädt Goldmund in ihr Haus ein und sorgt für
ihn.
In dieser Stadt begegnet er
Agnes, der Geliebten des Statthalters, und verliebt sich leidenschaftlich
in sie. Er trifft sie heimlich und wird vom Statthalter gefangen. Als Goldmunds
Hinrichtung nahe bevorsteht, wird er von Narziß gerettet. Goldmund und
Narziß kehren zu ihrem Kloster zurück. Dort schafft Goldmund eine Marienfigur.
Nach der Vollendung dieser Marienfigur begibt er sich wieder auf Wanderschaft,
um Agnes noch einmal zu begegnen. Aber er ist ein alternder Mann und ist
ihr nicht mehr gewachsen. Er wird krank und kehrt heim ins Kloster.
Goldmund erzählt Narziß, daß
er die Stimme seiner Mutter "als eine tiefe Frauenstimme, voll von Wollust
und Liebe" gehört habe. Und er sagt, daß die Mutter überall sei, sie sei
das Leben, die Liebe und die Wollust, sie sei aber auch die Angst, der
Hunger und der Tod.
In seiner Todesstunde flüstert
er die Worte, daß man ohne Mutter nicht lieben, ohne Mutter nicht sterben
könne. Diese Ÿußerung erweist, daß für ihn "der Weg zur Mutter" später
"der Weg zum Tod" wird.
******
In dieser Arbeit wurde der
"Konflikt mit der Mutter" auf folgender Grundlage behandelt:
-
Sporadische Briefe, die Hesse
in seiner Kindheit an die Eltern oder an die Mutter geschrieben hatte.
-
Hesses Ÿußerungen gegenüber den
Schwestern nach dem Tod seiner Mutter, in denen er seine Unzufriedenheit
mit der Mutter ausdrückte.
-
Das neueste Ergebnis aus den
Forschungen über Hesse.
Man kann sich vorstellen, daß
aus der Liebe zu seiner Mutter und aus seiner Anhänglichkeit in seiner
Kindheit später der "Konflikt mit der Mutter" wurde, aus dem wiederum am
Ende seines Lebens eine "Wiederhinwendung zur Mutter" entstand.
Wenn wir das bedenken, verstehen
wir die Frauengestalten, besonders "die Mutter", in seinen Werken besser.
Wir können auch die unausgesprochene Bedeutung des "Wegs zur Mutter", der
in "Narziß und Goldmund" beschrieben ist, verstehen.
Hesses starke Liebe zu seiner
Mutter und große Anhänglichkeit wird durch die Briefe zur Genüge bewiesen.
Auch sein Werk "Hermann Lauscher" deutet diese Tatsache an. Trotz seiner
Liebe und Anhänglichkeit geriet er in Widerstreit. Die Gründe für die Wandlung
seines Gefühls sind die folgenden:
-
Die Verständnislosigkeit und
die Vorwürfe seiner Mutter für sein Verhältnis zu den Frauen.
-
Die Verständnislosigkeit und
die Vorwürfe seiner Mutter für seine Werke.
Aus diesen Gründen zeigte er
kein Mitgefühl, als er über die unglückliche Liebe und die Leiden seiner
Mutter von seiner Schwester erfuhr.
Wir können folgern, daß es
wegen des Konflikts viele unergiebige Beschreibungen der "Mutter" in den
Werken gibt, die Hesse einige Jahre nach dem Tod seiner Mutter schrieb.
C.G. Jung behauptet, daß,
wer seine Mutter einmal verlasse, sich auch die Wiederhinwendung zu ihr
wünsche. Diese Behauptung trifft zur Genüge auf Hesse zu. Eine Weile nach
dem Tode Marie Hesses tritt in seinen Werken selten eine Mutterfigur auf.
Nach seiner ersten Ehe behandelte er sie allmählich wieder, aber sie wird
zu einer idealisierten und sanftmütigen Frau. Ein typisches Beispiel dafür
ist die Figur in "Schön ist die Jugend" (sie ist nicht Gegenstand eines
Ödipuskomplexes). Später tritt in seinen Werken eine sowohl großmütige
und kluge als auch sinnliche Frau auf, wie z.B. Frau Eva in "Demian". Das
Gefühl des Helden in "Demian" für Frau Eva ist von einem übertragenen Ödipuskomplex
geprägt. Frau Eva in "Demian" entwickelt sich dann zu Goldmunds Mutter.
Ein wichtiges Thema in "Narziß
und Goldmund" ist das Verhältnis zwischen Narziß und Goldmund, das heißt,
das Verhältnis zwischen Intellekt und Sinnlichkeit oder das Verhältnis
zwischen Geist und Natur. Das andere wichtige Thema in "Narziß und Goldmund"
ist der "Weg zur Mutter" durch Goldmunds Verhältnis zu den Frauen. Diese
beiden Themen vermischen sich miteinander in diesem Roman.
Zum Schluß möchte ich meine
persönliche Meinung darstellen, warum in Hesses Werken die Beschreibung
der Mutter positiv und die Beschreibung des Vaters negativ ist. Das bezieht
sich auf den Ödipuskomplex, aber Hesse selbst erlebte diesen Komplex nicht,
meine ich. Auf der anderen Seite hatte er tiefenpsychologisch den Wunsch,
eine Mutter wie Frau Eva oder wie Goldmunds ersehnter Mutter zu seiner
eigenen Mutter zu haben.