Im Schatten des Dichters In Gaienhofen am Bodensee lebte einst Hermann Hesse. Jetzt sind Haus und Garten wiederhergestellt VON KATHLEEN HILDEBRAND Leben umkrempelte. Kurz davor war der Denkmalschutz für das unverkäufliche artentor auf, Gartentor zu — Haus mi tdem Garten aufgeund plötzlich ist die Welt eine hoben worden. Der Abriss stand bevor, andere. Versteckt hinter ho- Wohnhäuser sollten auf das Grundstück, hen Hecken liegt da eine stil- „Als ich erfuhrt sagt Eberwein, „habe le Welt, die doch vor lauter lei- ich sofort einen Bebichtigungstermill gesem Leben vibriert, durchbrummt ist von macht-Y sie Messes kaufen Hummeln, durchflattert von Faltern. In de, war ihr klar, als sie durch die Einder man das Organische in hundert Duft- gangstiir trat. Sie gab ihren Job auf, wurnot.en riecht: Erdig weht es einende zur hauptberuflichen Denkmalgchütdem nach Sailjei, Min- zerin und irgendwie auch zur Museumstet Dill riecht es hinter dem undIm pädagogin. Jedes Wochenende führt sie Sildgarten verausgaben sich ein paar Dut• Besucher durch Haus und Garten, Hesses zenci Rosenblüten, die letzten Duftbom• Vermächtnis soll zugänglich sein, auch ben dieses Spätsommers.wenn die Eberweins darin wohnen. Jetzt „Unsere Gäste sagen, das sei eine richti- hat sie ein Buch über die Rekonstruktion ge Oase hier", sagtEva Eberrein und bit- des Gartens 'geschrieben. Ein persåniitet ein paar Stufen rauf ins Haus. Sie ist ches, nachdenkliches, dem man immer die Frau, ohne die es diese Oase nicht gä- wieder anmerkt, dass dajemanti mit probe. Die Frau, die Hermann Hesses Hausfunden Botanikkenntnissen schreibt. vor dem Abriss gerettett saniertund tu „Ich wollte die Spuren, die ich entneuem Leben erweckt hat. Eva Eberwein, deckt habe, nachvollziehbar machen'] kurzes Haar, hell gekleidet, erzählt sagt sie. Eberwein musste sich einfühlen ihre Geschichte•des Anwesens auf dem in Hesses Gartenpläne, recherchieren großen Balkon im ersten Obergeschoss. und schauen, was hundert Jahre später Eine selbstbewusste Frau, der man sofort von ihnennoch rekonstruierbar war. Der glaubt, dass dieses Projektzwurhartwar, Gemüsegarten im Nordteil des Grundaber zu keinem Zeitpunkt ihre Kräfte stücks zum Beispiel nicht: Die 'Bäume überstieg. Zwischendurch schenkt sie sind heute so groß, dass unter ihnen nur Apfelsaft nach. Die fünf Sorten, aus de- noch ein Schattengarten wachsen kann. nen er gekeltert ist, stammen natürlich al- Ein Jahr dauerte es, das Haus zu reno- le aus ihrem Garten. vieren, detailgetreu, bis hin zum türkisgrünen Anstrich der Holzschindelfassade, den Mia Hesse ausgewühlt hatte. Für den Garten brauchte Eberwein fünf Jah- Hesses Haus und Garten sind ein Paradies für die Biologin Eva Eberwein. hofener Glück und auch seine Ehe wurden Hesse al lerdings bald zu eng. Er reiste nach Ceylon, Singapur, Sumatra. 1912 verkaufte er das Haus, es folgten Krieg, re. Was sie gelernt hat in dieser Zeit? Mit dem zu arbeiten, wasda ist. Sich nicht tu ärgern. über Verlorenes, so wie Hegges Streuobstwiese, die schon vor ihrem Einzug mit DoppelbÅusern zugebaut wurde. Eine Art heilsame Demut. „Wer gelernt hati Bäumen zuzuhören begehrt nicht mehr, ein Baum zu schrieb Hesse 1919 in einem „Bäume" betitelten Text. „Er begehrt nichts zu sein, als was er ist. Das ist Heimat. Das ist Glück!' Sein Gaien- psychische Probleme, Scheidung. Oder muss man sagen: aus seinem Gar- Eva Eberwein hingegen ist glücklich in ten? Hermann Hesse war schon ein be- Hesses Haus; Gie teilt es gern mit den Bekannter Schriftsteller, als er 1904 mit sei- guchern. Ob das nicht merkwürdig sei, ner Frau Mia nach einem abgeschiede- Gruppen durch das eigene Wohnzimmer nen Ort zum Leben suchte. Und Gaienho- zu führen? „So einem Ort muss man sich fen fand, ein winziges Nest am Ufer der unterwerfen wollen", antwortet sie fröhHöri-Halbinsel, die sich südwestlich von lich. „Und die Leute sind so dankbar. Ein Konstanz sanft in den Bodensee rundet. Blick ins Gästebuch, dann weiß man wieWeil Mia aus einer wohlhabenden Schwei-der, warum macht," Nur ganz selzer Familie stammte. hatte das Paar ge-ist das anders. Nämlich dann, wenn nug Geld/ sich drei Jahre spiiter ein die Hesse-Fangsich weder an Öffnungsgroß*ügiges Wohnhausim Schweizer Re-zeiten noch an die „privat"'-Schilder hulformstil bauen zu lassen, Weitab vomdie anallen Tiiren hängen. So wie an Dorf und den Blicken der Bauern, die mit jenem Eva Eberwein hielt dem Schreiberling und seiner Familie Mittagsschlaf, Da stand plötzlich eine fremdelten. Um das Haus herum erfüllte Frau mit Fotoapparat vor ihrem Bett 8ich Hessel mit einem weitläufigen Gor e und fragte nach Hesses Bibliothek. 020 jetten Traum vom Selbstversorgerie-Die Freude Aber, dieseg Haus gerettet bem den die Sell$ebergurten-Uipstervon zu haben, überwiegt. öh'enn einmal die beute mit der Leben5t•eform-Bewegung Erde vollends mit Betonkasten bedeckt der vorletzten jahrhundertwende teilen, sein wird", schrieb Hermann Hesse 1949 Eva Eberwein isc Rheinländerin, hat aber jeden Sommer ihrer Kindheit bei einer Tante in Gaienhofen verbracht, die Großeltern kannten noch die Hesses. Heute ist sie promovierte Biologin, hat lange als Managerin in einem Großunternehmen gearbeitet. Das Geld, das sie dort verdient hat, steckt nun zum großen Teil in diesem alten Haus, für das sie 2004 ihr in einem Brief, dann „werden da und dort Menschen sich mit Hilfe der Kunst eine Tür zum Göttlichen offen halten." In Gaienhofen gibt es eine solche Tür. Und meistens darf man sie auch durchschrelten. Eva Eberwein: Der Garten von Hermann Hesse. Mlt Fotos von Ferdlnand Graf von Luckner. DVA, 170 S., 29,99 Euro. Erscheint am 3. Oktober. Sarnstag/Sonntag, 17./18. September 2016, Nr. 216 SUddeutscneZettung Im Süd*irlen blühen Blumen, wachsen sogar Der Birnbaum Ist (u.r.). etwa zoo Jahrc alt. Wr schon m/ichtiß alg Hesse mit seinem Sohn Bruno „darunter stand (a.l.), VON